19. November 2022

Nachdem wir also am vorherigen Tag gelernt hatten, wie die japanische Gestik und Artikulierung funktioniert, sollten wir uns mal raus trauen. Aber wohin? Da waren wir also, mitten in Tokyo und irgendwie ratlos, was wir alles anschauen wollten. Am einfachsten erschien es uns daher, erstmal die umliegende Nachbarschaft zu erkunden, zu der der Lonely Planet passenderweise eine Walking-Tour vorbereitet hatte. In der Nähe des Ueno Parks, der gegenüber vom Nationalmueseum ist, finden sich nämlich eine kleine Ansammlung von Straßenzügen, die auf die alte, typsich japanische Art angelegt wurden. Die niedrigen schnuckeligen Einfamilienhäuser stehen in direkter Nachbarschaft zu unglaublich vielen, kleinen Tempel samt Garten – Großstadtflair Fehlanzeige! Dass man hier in Tokyo sein sollte, konnte man kaum glauben.

Ohne Mampf kein Kampf

Insgesamt war der Rundgang, der auch über einen größeren japanischen Friedhof, bei dem eine so ganz eigene Atmosphäre in der Luft lag, führen sollte ganz nett. So richtig umgehauen hat uns das Gesehene aber nicht und um uns für unsere weitere Erkundungstour zu stärken, entschieden wir uns erstmal Mittagspause zu machen. Glücklicherweise endete die Tour an einem größeren Bahnhof, an den einige kleine Restaurants angrenzten. Wer sich jetzt fragt, wie wir denn überhaupt unser Essen ausgewählt und bestellt haben, hier ein paar Fun-Facts: In Japan ist es total üblich, dass das angebotene Essen als Plastikattrappe im Eingangsbereich ausgestellt wird. Diese Platstikattrappen sind maßstabsgetreu und so werden sogar die zwei Pilze und das eine Algenblatt – mehr Gemüse findet man kaum in japanischen Gerichten – lebensgetreu abgebildet. Man hat im Übrigen auch keine Chance auf eins der Bestandteile zu deuten und etwas umzubestellen. Japaner sind Meister im starren Regel-Einhalten und dazu gehört auch, dass angebotene Gericht, genau so wie es ist, auf den Teller zu bringen und nicht so, wie der Gast es vielleicht gerne hätte. Es wäre aber auch etwas schwierig gewesen, dem Personal zu vermitteln, dass man Änderungswünsche hat – Englisch scheint eine sehr exotische Sprache in Japan zu sein und ist ebendem sehr selten vorzufinden. Die Bestellung läuft dann wie folgt ab: Hat man sich für das Gericht der Wahl entschieden – oftmals unterscheiden sich die Gerichte nur darin, wie viel Fleischscheiben man bekommen möchte – füttert man den am Eingang stehenden Automaten mit ausreichend Geld. Dann betätigt man die Taste, die für das ausgewählte Gericht steht – hier empfiehlt es sich den Automaten vorher schon einmal zu studieren, um keine böse Überraschung zu erleiden. Der Automat wirft dann ein kleines Ticket aus, das man bei einem der Mitarbeiter oder Köche abgibt. Wer aufgepasst hat wird festgestellt haben – hier findet man wieder einmal das japanische Kombinationssystem Maschine + Mensch, was wir bereits bei der Einreise kennenlernen durften.

Hat man dieses Prozedere durchlaufen, folgt Schritt 3, die Platzwahl. Je nach Restaurant sucht man sich entweder selbst einen Platz oder macht das, was Japaner scheinbar gerne tun – richtig, sich in eine Warteschlange stellen. In unserem Fall, konnten wir selber einen der abgetrennten Plätze, bei denen man auf Minihöckerchen sitzt, auswählen. Gemütlichkeit = 0 aber darum geht es ja auch, dass man schnell (!) isst und dann auf flix den Platz für die nächsten Gäste frei macht.
Die Soba-Nudelsuppe, die wir beide bestellt hatten war zum Glück ein Treffer und nach einem Maronen-Knuspereis, war die Entdeckerlust wieder groß. Apropos Maronen – die Japaner lieben scheinbar Maronen und in der Herbstzeit findet man allerlei Süßigkeiten, Getränke und Gebäck mit Maronen. Auch sehr beliebt, Eier. Freuten wir uns anfangs noch über die Eier in den Suppen, konnten wir nach 3 Wochen wirklich keine mehr sehen und mussten unseren Egg-Overload erst einmal auskurieren.


Nächster Halt – Asakusa

Als nächstes entschieden wir uns, mit der U-Bahn zum benachbarten Stadtteil Asakusa zu fahren, wo derSens?-ji Tempel, einer der größten und vor allem der älteste Tempel Tokios zu finden ist. Eigentlich wollten wir schon an diesem Tag das 3 Tages Touristenticket lösen, aber auch hier, schlägt das japanische System wieder zu. Es reicht nämlich nicht, ein Bild von seinem Reisepass vorzulegen, nein man muss den Einreisestempel im Ausweis vorzeigen, um zu belegen, dass man wirklich als Tourist eingereist ist. Scheinbar ist beamen oder a la Harry Potter apparieren schon als Transportmethode in Japan eingeführt, ansonsten ergibt die Regel mal wieder überhaupt keinen Sinn. Also musste eine Einzelfahrt her. Hier kamen wir mal wieder in Genuss der japanischen Kombinationslust. Hat man auf dem Touchscreen die Strecke ausgewählt und will jetzt noch einen weiteren Fahrgast hinzufügen drückt man – richtig, auf die analoge Taste, die neben dem Touchscreen angebracht ist und ein weiteres Männchen abbildet. Darunter sind noch weitere Tasten angebracht, die jegliche Familienkombinationen abbilden, wobei lediglich Haustiere ausgelassen werden. Mit dem Fahrschein in der Tasche konnte es dann losgehen. Will man es an der Zielhaltestelle besonders einfach haben, kann man bereits beim einsteigen feststellen, wo der Zug halten wird und welcher Ausgang am nächsten ist. Wir sollten im Laufe der Zeit feststellen, dass das wirklich hilfreich sein kann, da man in den U-Bahnschächten Tokyos gut und gerne einen Halbmarathon an einem Tag zurücklegen kann, um zum richtigen Ausgang, auf der richtigen Straßenseite zu nehmen. Wechselt man die U-Bahn Linien addieren sich schnell weitere Kilometer dazu.

In Asakusa angekommen wurden wir zuerst einmal von einem unglaublichen Gewusel empfangen. Die Straßen waren an diesem samstag Nachmittag voller Menschen, die möglichst schnell von a nach b kommen wollten. Besonders ins Auge gestochen, sind uns dabei die in Kinomos gekleideten Japaner, die sich richtig herausgeputzt hatten, um vor dem Haupttor des Tempels hübsche Fotos zu machen.

Um uns etwas besser orientieren zu können und dem Gewusel kurz zu entfliehen, haben wir erst einmal die Touristeninformation angesteuert, in der neben coolen Miniaturansichten von Tokyo auch englichsprachiges Personal einem weitergeholfen hat. Die freundliche Dame am Schalter hat uns dann erstmal mit einer Karte ausgestattet. Außerdem hat sie uns den Tipp gegeben, dass gegen 17 Uhr eine Parade stattfinden würde. Wir konnten uns zwar nicht wirklich was darunter vorstellen, aber umso gespannter waren. Möchte man sich das Gewusel mal von oben ansehen, empfiehlt es sich, den 7. Stock der Touristeninformation zu besuchen. Neben einem kleinen Kaffee findet man hier eine kleine Aussichtsplattform, von der aus man die Hauptsehenswürdigkeiten – das Tor vor dem Tempel,die angrenzende Marktstraßen und den riesigen Tempel – bewundern kann.

Genug Überblick verschafft – rein ins Gewusel. Bei den japanischen Tempel befindet sich meistens vor dem eigentlichen Tempel erst einmal ein großes Tor, das zuerst passiert wird. Je nach Tempelgröße fällt auch das Tor aus und das vom Senso-ji Tempel ist wirklich riesig. Der in der Mitte hängende Lampion hatte dabei elefantöse Ausmaße und ist wohl auch ein Grund für die Beliebtheit des Fotomotives. Es war gar nicht so einfach hier ein schönes Bild zu machen und während wir warteten, wurden wir vom japanischen Fernsehen angesprochen, die gerne ein paar Aufnahmen mit uns gemacht hätten. Weißbrote wie uns fand man nämlich nicht so viele auf dem Platz. Irgendwie war uns aber nicht danach und lehnten unseren Gastauftritt dankend ab. Hat man das Hozomon Tor dann passiert, sind die folgenden 700 Meter mit allerlei Marktständen gesäumt. Hier findet man neben Fächern, Kimonos und traditionellen Sandalen allerlei Leckereien. Aufgefallen sind uns dabei vor allem die Stände, die Erdbeeren, Erdbeer Drinks oder Erdbeer-Mochis verkauften, da sich vor diesen Ständen massenhaft Japaner tummelten. Scheinbar sind Erdbeeren voll das Ding in Japan. Die Obstpreise in Japan sind im Übrigen vollkommen verrückt: 3 Erdbeeren waren für gut 5€ zu haben; eine viertel Galiamelone haben wir an einem anderen Tag für schlappe 15€ gesehen. Da empfiehlt es sich doch bei den Bananen zu bleiben, die man zu etwa deutschen Preisen bekommen kann oder schlichtweg eher auf Obst zu verzichten.


Hat man die Stände hinter sich gelassen, kommt man schließlich zu dem riesigen Tempel, der sich geruchstechnisch schnon einige Meter vorher ankündigt, da am Eingang riesige Schalen mit rauchenden Räucherstäbchen stehen. Ein Geruch auf den Simone ja so sehr abfährt, dass sie vor den Schalen erstmal notorisch Pause machen muss und ein, zwei Atemzüge nimmt. Dabei wird jedes Mal beschlossen, das heimische Wohnzimmer auch wieder verstärkt zu beräuchern. Für Markus vollkommen unverständlich wird das Ganze aber jedes Mal mit einem Lacher quittiert. Oftmals haben Tempel ja etwas beruhigendes, ruhiges und mystisches. Der Sens?-ji Tempel strahlt diese Atmosphäre aber absolut gar nicht aus und irgendwie denkt man hier eher an einen trubeligen Geschäftsplatz. Ständig hört man aus den verschiedensten Richtungen ein metallisches “plink”, da mal wieder jemand Geldmünzen in einen dafür vorgesehenes Behältnis “geopfert” hat. Simone hatte in der Vorbereitung auf Japan mal nachgelesen, wie das eigentlich mit der Religion in Japan so ist. Natürlich ist auch das wieder mal speziell und für uns auch schwer zu greifen. Als Quintessienz haben wir aber folgendes verstanden: Viele Japaner sind zwar Buddhisten, aber gleichzeitig auch Shintoisten. Die Shinto Religion ist ein sehr alter Glaube in Japan, der allerlei sprituelle, göttliche Geister kennt. Diese Geister können dabei in ganz alltäglichen Gegenständen vorgefunden werden, aber auch in der Natur und Tempeln. Soweit Simone das richtig verstanden hat, vermischen viele diese beiden Glauben.
Um die Geister aber zufrieden zu stellen, beziehungsweise sie zu ehren werden also diese Münzen geworfen und wenn das gut 1000 Menschen gleichzeitig machen, führt das nunmal zu ein wenig Hektik und einem ganz schönen Geräuschpegel. Ein für uns sehr interessantes Treiben, was wir auch erstmal in Ruhe beobachtet haben.

An den Tempel grenzt nicht nur die frontal zulaufende Marktstraße an, sondern in den angrenznden Straßenzügen findet man einige überdachte Gallerien, die ebenfalls allerlei Krimskrams und Essen verkaufen. Etwas planlos ließen wir uns so durch das Viertel treiben. In der Zwischenzeit hatte auch die Dämmerung eingesetzt und sobald es dunkel war, sollte die angekündigte Parade losgehen. Was wir nun zu sehen bekommen sollten, ist etwas schwierig zu beschreiben, erinnert aber wahrscheinlich am ehesten an einen St. Martins Umzug auf japanisch mit überdimensionalen Laternen.
Genau wie in Deutschland sorgt auch eine Art Kappelle für die richtige musikalische Untermalung, natürlich mit fernöstlichen Klängen. Das Losziehen und das Vorankommen während der Parade war natürlich auch einstudiert und folgte irgendwelchen speziellen Regeln, die uns nicht so ersichtlich wurden. Am schönsten waren aber eindeutig die Laternen, die von mindestens 10 Männern getragen wurden, da sie so riesig waren. Besonders im Kopf geblieben, ist uns der bunte Drache.
Was für eine tolle Erfahrung, die wir so zufällig machen durften und uns daher umso mehr begeistert hat.


Letzte Mission – Sushi und Bier

Mindestens genauso begeistert war Markus vom anschließenden Abendessen. Schon lange bevor wir in Japan angekommen waren, hat Markus angekündigt, dass er zum Rollercoaster Sushi gehen will. Das besondere an diesem Rollercoaster Sushi ist, dass es neben dem normalen Förderband eine zweite Etage gibt, auf der “Schienen” verlegt wurden. Auf diesen Schinen wird dann das via Tablet georderte und frisch zubereitete Essen verschickt und der Teller macht platzgenau Halt.Eine ganz spaßige Variante sein Essen serviert zu bekommen.

Um diesen Tag noch gebührend ausklingen zu lassen, wollten wir mit einem Bier anstoßen, was für uns aber gar nicht so einfach werden würde. Die japanischen Bars sehen zwar alle sehr schnuckelig aus, sind aber mit ihren 5 Plätzen an einem Samstagabend meistens total überfüllt und so richtig trauten wir uns nicht, uns dazu zugesellen.
Einladender sah da irgendwie der Irish Pub aus, womit unsere Liebe zu Irish Pubs auf dieser Reise beginnen sollte. Mit einem frischgezapften Asahi und einem leckeren Cider ausgestattet, stießen wir dann schließlich glücklich auf den so abwechslungsreichen Tag, an dem wir so viele unterschiedliche Eindrücke sammeln konnten an. Was für ein gelungener Start!


Das war aber nur eins der Gesichter Tokyos und am nächsten Tag sollten wir in der „Moderne“ und im Anime-Paradies ankommen. Dazu mehr im nächsten Beitrag

Markus & Simone

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