Mexico City – eine Stadt 100 Gesichter

05. – 06. Februar 2023

Nachdem wir an unserem ersten Tag die Altstadt ein wenig erkundet haben, war ich neugierig auf die Stadtteile Roma und Condesa. Der Stadtteil Roma trägt seinen Namen nicht ohne Grund. Als die Spanier Mexico City eingenommen hatten, kam ihnen der Weg nach Roma, wohin die Einheimischen vertrieben wurden, so weit vor, wie der Weg nach Rom. Die beiden Stadtteile interessierten mich vor allem, da es hier wohl recht hip sein sollte und viele Reisende von den Cafes und Airbnbs hier schwärmten.

Schlendern durch Roma in Mexico City

Was ich nicht wusste, als ich die Freewalkingtour gebucht habe, Roma ist einer der ältesten Stadtteile Mexico Citys und hat daher mehr zu bieten, als nur hippe Cafes. Nachdem wir in Asien desöfteren mal enttäuscht waren, da die Guides zum Teil ihre eigene Agenda hatten, hatten wir hier mal wieder richtig Glück. Unser Guide, eine mitte zwanzig jährige Einheimische, hatte richtig viele interessante Informationen. Sie hat uns nicht nur erklärt, wie die Häuser im Stadtteil sich unterscheiden, woran wir das erkennen können und warum das so ist, sondern hat uns auch viel vom Leben der Mexikaner erzählt.

Uns war bisher gar nicht so klar gewesen, dass die Mexikaner Haustiere lieben und viele junge Paare keine Kinder mehr wollen – dafür aber einen Ersatzhund, den man wie ein Kind liebt. Das wurde dann ziemlich offensichtlich, als wir zum Park in Roma kamen. Hier wimmelte es nur so von Hunden und auch vor Gringos. Zwar waren hier auch einige Mexikaner zu finden, die man ganz klar der Oberschicht zuordnen konnte, dennoch waren erstaunlich viele Amerikaner und Europäer hier anzutreffen. Das Gleiche galt auch für alle die süßen und coolen Cafes und Restaurants am Wegesrand. Leider überschritten sie deutlich unser Budget und wir konnten hier keinen Stopp einlegen.

Was mich aber so begeistert hat, war die Vielfalt und der krasse Unterschied zu Downtown, wo alles einfach nur alt war. Kaum zu glauben, dass man nach gut 20 Minuten Fußweg in einem ganz anderen Universum war. Mich haben die Stadtteile ziemlich an Savannah erinnert. Dort gab es auch so viele Kunstgalerien und tolle Häuser und so einen Vibe, den man nicht gut beschreiben kann, der einfach in der Luft liegt.
Apropos Luft, ich hatte ja schon einmal erwähnt, dass es auf der Dachterasse morgens ziemlich frisch war. Ein Grund dafür ist, dass es Winter war; ein anderer dass die Stadt auf 2.240m liegt. Sobald dann aber die Sonne rauskommt, wird es richtig war und man muss sich einer Lage des Zwiebellooks entledigen. Wieder im Schatten, war es eisig, was bei uns beiden zu einem permanenten an- und ausziehen führte. Anfangs waren wir etwas genervt davon, aber nach zwei Tagen war man auch irgendwie froh über die frische Luft. Erwartet haben wir das aber nicht.


Was wir auch nicht erwartet hätten, ist dass Netflix Empfehlungen so sehr nicht unser Ding sein können. Wir hatten schon von unserem Taxifahrer gehört, dass der Taco Laden drei Häuser neben unserem Hostel richtig gut sein sollte und stellen auch schnell fest, dass der Laden richtig brannte. Warum, das wissen wohl nur die Mexikaner – voller Vorfreude auf die ersten richtigen Tacos bestellten wir gespannt Tacos al Pastor. Was uns dann auf den orangfarbenen Plastiktellern serviert wurde, deckte sich aber zu nichten mit unseren Erwartungen. Knuspriges Fleisch? Pico de Gallo? Reichlich Ananas? Scharfe Saucen? – Fehlanzeige! Da lagen einfach doppelte Maisfladen, viel lauwarmes Fleisch, ein mini Fitzel Ananas und das wars. Gesalzen war das Ganze auch nicht – dass die Mexikaner damit recht sparsam sind (aber nur im gekochten Essen) hatten wir bereits herausgefunden. Wir waren richtig enttäuscht und zogen daraufhin auch weiter durch die Straßen, um irgendwas fürs Herzchen aufzutreiben. Manchmal zieht man halt einen Zonk – hinter Tor 2 und 3 hätten noch Auge, Zunge oder Schnauze auf uns gewartet, da war mir der Zonk dann doch lieber.


Zu unserem Glück stand in unserem neuen Hostel, in das wir am nächsten Tag zogen, als Walkingtour „Mercados“ also Märkte auf dem Plan – genau unser Ding!

Lokale Märkte: Die Dreh- und Angelpunkte Mexico Citys

Unser Guide Vijah war beim Hostel direkt angestellt und ein echt cooler Typ, verliebt ins Leben, ins Feiern und in seine eigene Kultur. Da der erste Markt, der größte Blumenmarkt der Stadt, der sogar 24 Stunden geöffnet hat, in einem anderen Stadtteil lag, mussten wir erstmal die U-Bahn nehmen. Ich finde es ja immer ganz spannend zu sehen, wie die jeweiligen U-Bahnen in den Städten so aggieren und aussehen. Waren wir doch extrem verwöhnt von Singapur und Bangkok, mussten wir in Mexico City echt ein anderes Niveau vorfinden. Die Wagen waren recht alt und auch die U-Bahn Schächte hatten ihre besten Jahre schon vor langem gesehen. Am auffälligsten war aber die krasse Polizei-Präsenz. Wobei das nicht ganz korrekt ist, ich glaube, dass in der U-Bahn nicht nur die Polizei, sondern auch noch irgendwelche Gruppen vom Militär patroullieren. Eigentlich könnte man zu diesen Patrouillien ein eigenes Kapitel schreiben, da wir aber gar nicht verstehen, welche Einheiten es alles gibt, ist das wohl ziemlich sinnlos. Sagen wir mal so, es gibt scheinbar so viele Varianten an Polizei und Militäreinheiten wie Maisfladen Varianten in Mexico – die Unterschiede sind für uns kaum zu registrieren.
Nachdem unsere riesen Gruppe aus fast 20 Leuten es dann tatsächlich geschafft hatte, an der selben Haltestelle auszusteigen, ging es auch schon los. Die Blumenbuckets die wir im Markt fanden waren gigantisch. Sowas hatte ich wirklich noch nicht gesehen! Vijah erklärte uns, dass Männer ihre Zuneigung in Mexiko durch Blumen zum Ausdruck bringen – in dem Blumenstrauß findet die Frau dann idealerweise noch einen Haufen Geldscheine. Auch eine interessante Art des Flirtens.

Einfach zuckersüß

Aber natürlich waren die Blumen für uns nicht das Highlight. Wer uns beide kennt, weiß, dass wir zwei Schleckermäulchen sind, die total interessiert daran sind, die landestypische Küche kennenzulernen. Dazu gehören selbstverständlich auch Süßigkeiten. Eigentlich bin ich hier ja kaum zu bremsen, aber wir hatten schon die Erfahrung gemacht, dass mexikanisches “süß” ein ganz eigenes Level hat. Dennoch fand ich es super spannend, was als traditionelle Süßigkeiten angeboten wurde. Vijah zeigte und erst einmal eine bräunlich, rote Masse, bei der es sich um eine Art Kau-Bonbon aus Tamaride und Zucker und natürlich – Chili (daher auch die rötliche Färbung) handelt. Diejenigen, die es probiert haben waren sich alle einig- viel zu süß!! Eine andere, sehr beliebte Süßigkeit ist das mexikanische Mazapan. Wer jetzt wie wir denkt “hmm yummy, Marzipan” liegt aber leicht daneben. Anstelle von Mandeln werden Erdnüsse klein gemahlen und mit Zucker vermengt. Das ganze wird dann in eine runde Form gepresst und manchmal mit Schokolade überzogen – genau meins! Meine absoulte Lieblingssüßigkeit sind ja die amerikanischen Reeses Erdnuss-Cups und hierbei handelt es sich nahezu um ein riesen Reese – mega! Leider muss ich aber zugeben, dass es einen Ticken zu süß ist und daher nicht ganz mithalten kann. Dafür ist es aber auch viel günstiger als das Original und kostet gerade mal 30 Cent.
Auch lecker frische Kokosraspeln, die ebenfalls mit Zucker vermengt und zu einem Block geformt wurden. Es gibt noch unzählige weitere Varianten; die Hauptzutaten, die immer wiederkehren sind aber zweifellos Tamarinde und Chili.

Als nächstes passierten wir einen Verkaufsstand, der verschiedene Molepasten anbietet. Markus hat ja bereits in seinem Foodbeitrag etwas zu Mole geschrieben. Probiert man, wie wir hier die Molepaste, muss man sich ein wenig in Acht nehmen. Die Paste ist halt ultra konzentriert und daher mochten einige der anderen Teilnehmer sie gar nicht. Wir dagegen umso mehr. Es schmeckte nussig, würzig, pikant, schokoladig und einfach einmalig. Davon wollten wir mehr und suchten am Nachmittag auch nach einer Möglichkeit das endlich mal in einem Gericht probieren zu können. Neben Mole wurde aber auch Horchata-Paste verkauft. In Mexiko gibt es zwei Getränke, die quasi omnipräsent sind und an jeder Straßenecke und in jedem Restaurant in großen Plastikkanistern zu finden sind: Horchata und Jamaika. Horchata ist gemahlener Reis, der natürlich mit Zucker gesüßt und dann mit Wasser aufgegossen wird, wodurch es so aussieht, als würde man Milch trinken. Das Getränk schmeckt in der Tat besser, als es sich anhört; bestellen würden wir es aber nicht.
Das andere Getränk, Jamaika ist purpurrot farbend und sieht recht giftig aus – für mich wäre es das wohl auch, da es aus Hibiskus, (die Pflanze wurde ursprünglich aus Jamaika nach Mexiko gebracht, daher der Name) gewonnen wird. Natürlich darf auch dabei eine ordentliche Portion Zucker nicht fehlen, um den Problem einer möglichen Unterzuckerung vorzusorgen.

Goldene Esquites – Bester Snack Mexikos

Da unser Jetlag sich schon wieder meldete und zwar in Form von übertriebenem Hunger, waren wir über den nächsten Stop besonders froh.
Vijah führte uns zu einer älteren Dame, die neben Elotes – also den grillten Maiskolben auch die gekochten Maiskörner – Esquites anbot. Hier konnten wir um ersten Mal diesen tollen Snack probieren, auf den vorallem Markus in den kommenden Wochen immer mal wieder zurückkam.
Das Grandiose – es war mal ein Gericht OHNE Fleisch, eine absolute Rarität!
Gesättigt machten wir uns zum nächsten Stop auf, wo eine Art marmeladigen Chilisaucen verkauft wurden. Vom letzten Mal hatte ich noch in Erinnerung, dass die mexikanischen Salsas für mich deutlich schärfer war, als z.B. Thai-Food, das ich inzwischen ja schon auf Thai-Niveau bestellte. Ich bin inzwischen echt überzeugt, dass ich von Sri Lanka versaut wurde, denn die angebotenen Kostproben riefen nicht im Ansatz ein Schärfebrennen in meinem Mund entstehen. Dafür hatten sie aber einen ganz tollen Geschmack, den man wohl aber nur als Chili-Liebhaber wertschätzen kann.


Es wird skurill

Damit war der Food-Teil der Tour abgehakt und wir fuhren zurück Richtung Downtown, um zum, nennen wir es mal “Kuriositätenmarkt“ zu gehen. Hier gab es viel zu viele Dinge, die es eigentlich nicht geben sollte. Beispielsweise wurden wir zu einem Stand geführt, der exotische Tacos hatte, die zum Beispiel mit Löwenfleisch gefüllt wurden. Richtig gelesen – Löwenfleisch. Wir konnten es auch nicht so wirklich glauben, aber hier handelt es sich mal wieder um ein Thema, dass die Verquertheit des mexikanischen Systems aufzeigt. Es ist illegal Löwen im Dschungel zu jagen, der Verkauf des Fleisches ist aber nicht illegal und daher züchten einige Kartelle auch Löwen als Nutztier. Was wir gar nicht mehr verstehen konnten, warum man denn Geschäfte mit Kartellen machte. Eigentlich sollte die Bevölkerung doch ein Interesse daran haben, dass man diese kriminellen Gruppen nicht auch noch weiter unterstützte, die das eigene Leben so gefährlich machten. Irgendwie gibt es hier so eine Doppelmoral, die wir nicht verstehen können. Vielleicht muss man das Ganze auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Nachvollziehbar ist es für uns aber nicht und zeigt uns nur einmal mehr, wie krass das Ausmaß an Parallelgesellschaft und einem nicht funktionierendem Staat ist. Wer gemocht hätte, hätte hier auch noch Insekten oder einen kleinen süßen Skorpion snacken können. Wir entschieden uns aber dagegen und für eine Cola im Schatten, außerhalb des Marktes.

Der dritte Markt begeisterte uns dann aber wieder um einiges mehr! Hier gab es Unmengen Mexikanischer Souvenirs und nachdem sich die asiatischen Märkte mit chinesischem Kram irgendwie ziemlich wiederholt hatten, war das eine erfrischende Entdeckung. Hätten wir einen extra Koffer für Souvenirs bei uns, wären wir dort wohl arm geworden, aber der limitierte Backpack hat uns davor dann gerade noch bewahrt.


Neben dem, was uns Vijah über die Märkte an sich erzähte, lies er durchblicken, dass es da noch ganz andere in Mexico City geben würde, zu denen wir aber nicht und niemals ohne Begleitung eines Mexikaners gehen sollte. Insbesondere nannte er dabei die Straßen in der Gegend Tepito, auf denen wohl ganz eigene oder eben keine Gesetzte gelten. Der Staat patroulliert in diesen Straßen nicht und dort ist Löwenfleisch wohl noch eine der harmloseren Waren, die dort gehandelt werden. Außer Sonntags: An dem Tag wagt sich die Staatsgewalt wohl in das Viertel und dann könne man wohl in Begleitung von einem Mexikaner dort hin gehen. Für unsere Ohren hörte sich das recht strange an und bedenkt man, dass dieses Viertel ziemlich nah am Zentrum liegt, auch irgendwie erschreckend.

Es ist schön und total aufregend innerhalb so kurzer Zeit so viel über eine Stadt, eine Kultur und die Menschen zu lernen. Mexico City hatte schon seit langem unsere Erwartungen vollkommen übertroffen und ich war froh, dass unsere anfänglichen Zweifel sich nicht bewahrheiten sollten. Zur Belohnung gab es für uns am Abend auf der Dachterasse des Hostel pünktlich zum Sonnenuntergang unseren ersten Margarita, auf den ich mich schon so gefreut hatte. In solchen Momenten reflektiert man dann auch, was für ein großes Glück wir haben diese Reise machen zu können – ein Gefühl, dass einen ein bisschen wehmütig macht und kleinen Schauer über den Rücken laufen lässt, da man es manchmal selbst gar nicht so begreift.

Im nächsten Beitrag machen wir einen Ausflug in die Vergangenheit…

Simone

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